250 km zu Fuß durch den Wahlkreis Rheingau-Taunus – Limburg: Ein politischer Reisebericht
Von Taunusstein über Limburg, Heidenrod, Rüdesheim und Eltville bin ich in 14 Tagen einmal komplett durch den Wahlkreis gewandert. Rund 250 Kilometern habe ich vom 9. bis 22. August zu Fuß zurückgelegt. Die Strapazen haben sich gelohnt!
Bei bestem Wanderwetter konnte ich unsere wunderschöne Natur in all ihren Facetten erleben und lieben lernen. Die dichten Wälder des Taunus. Die Kornkammer im Goldenen Grund. Die ursprüngliche Natur des Wispertals und des Kammerforsts. Die lieblichen Weinbergshänge des Rheingaus. Ein wahrer Schatz.
Doch dieser Schatz ist bedroht. Wo auch immer ich hinkam, der Borkenkäfer war vor mir da. Die ehemals dichten Wälder des Taunus lichten sich. Die Folgen konnten wir direkt spüren: Statt im kühlen Schatten der Bäume wanderten wir in der prallen Sonne. Die klimabedingten Waldschäden sind auch schlechte Nachrichten für die Trinkwasserversorgung. Was tun?

Neben Klimaschutz sind auch Veränderungen in der Forstwirtschaft nötig. Darüber sprachen wir unter anderem mit dem Leiter des Forstamts im Kammerforst Jan Stetter. Er erklärte uns, dass nicht nur Fichten, sondern auch Mischwälder und die im Rheingau besonders häufige Eiche unter den Dürren der letzten drei Jahre gelitten haben. Daher gehe es jetzt auch um die „assistierte Migration“ von solchen Baumarten, die den steigenden Temperaturen trotzen können. Welche das sein könnten, muss weiter erforscht werden. Dafür eignet sich der Rheingau besonders gut, weil hier die Temperaturen etwas höher sind als im Rest von Hessen. Außerdem fordern wir, dass mindestens 5 Prozent der Waldfläche zu Naturwald wird, also nicht weiter bewirtschaftet wird.
Klar ist, wer heimische Bäume schützen will, muss das heimische Klima bewahren.
Das sehen viele Menschen im Wahlkreis so. Auf der Wanderung konnte ich viele tiefgehende Gespräche führen. Dabei ging es oft ums Klima. Und es kamen beklemmende Fragen zur Sprache: Was würde passieren, wenn ein Starkregen wie im Ahrtal bei uns im Aartal runterkommt? Sind wir darauf vorbereitet? Was können wir konkret tun, damit unsere Politik, Wirtschaft und Gesellschaft enkeltauglich wird?
Antworten dafür gibt es vor Ort viele. Von einem Unternehmer aus Limburg, der Brot mit regionalen Zutaten backt und so das Klima schont. Von Rentnerinnen, die (wieder) politisch aktiv werden aus Sorge um die Zukunft ihrer Enkel. Von der Winzerin, die auf Pestizide auf den Reben verzichtet. Von Vertretern einer BürgerSolar-Gemeinschaft, die in Eltville zahlreiche Solaranlagen und E-Ladestationen gebaut haben. Sie alle sind bereit für ein klimaneutrales Zeitalter. Das macht Hoffnung. Aber die Bundesregierung bremst solche Imitativen allzu oft aus, anstatt sie zu fördern. Manche würden gerne eine Solaranlage installieren, scheitern allerdings an dem ganzen Papierkram. Warum wird es ihnen nicht leichter gemacht?
Beim Thema klimaneutrale Mobilität gab es einige Fortschritte in den letzten Jahren. Dennoch kam ich an Haltestellen vorbei, an denen nur drei Mal am Tag der Bus fährt. Am letzten Wandertag sind wir dann noch an der brach liegenden ehemaligen Trasse der Aartalbahn vorbeigelaufen. Sie müsste dringend reaktiviert werden. Damit wir klimaneutral mobil sein können, brauchen wir bessere Bus- und Bahnanbindungen und flexible Mitnahme- und Carsharing-Angebote. Wir brauchen auch den Umstieg von Verbrenner- auf E-Autos – besonders auf dem Land. Ich war überrascht, wie viele Vorbehalte es noch immer gegen Elektromobilität gibt. Dabei gehen die Studien dazu, wie wir in Deutschland klimaneutral werden können, von einem zügigen Umstieg auf E-Mobilität aus. Anders wird Klimaneutralität nicht zu schaffen sein, weil es momentan kein anderes System gibt, um Energie aus erneuerbaren Quellen effizient für Individualmobilität einzusetzen. Wasserstoff wird für andere Anwendungen benötigt wie zum Beispiel die Stahlindustrie. Das hat sich jedoch noch nicht überall herumgesprochen.
Wir konnten aber auch schon das Modell der Zukunft sehen: Solaranlage auf dem Dach, die das E-Auto vor der Garage lädt. Solche Modelle wollen wir Grüne in Zukunft verstärkt fördern, damit E-Mobilität auch für Gering- und Durchschnittsverdiener erschwinglich wird.


Auch der Genuss kam nicht zu kurz. An den Weinprobierständen, in den Restaurants und – insbesondere den Eiscafés, die wir fast täglich besucht haben. Für die Tourismusinfrastruktur und -marketing wird viel gemacht. Die Wispertrails und viele andere Wanderwege führen zu etlichen schönen Stellen. In Bad Camberg konnte ich die Kneippanlangen unter fachkundiger Anleitung genießen. Aber abseits der ausgetretenen Pfade ist noch Luft nach oben. Zum Beispiel stellten wir fest, dass im Wispertal von Springen bis Lorch – mitten in der sommerlichen Hochsaison – keine Verpflegung zu bekommen ist. Das war besonders für die “Kaffee-Addicts” unter uns eine Herausforderung …
Wir wurden unterwegs auch oft von den lokalen Bürgermeistern empfangen. Ich bot ihnen den direkten Draht nach Berlin an. Besonders denkwürdig war das Gespräch mit dem Bürgermeister von Waldems Markus Hies an einer E-Ladesäule. Die Themen für das Gespräch fuhren direkt vor uns auf der Straße vorbei – ein LKW mit Holz, eine Gruppe lauter Motorradfahrer*innen und ein Heizöllieferant. Schön war auch das spontane Frühstück vor dem Niedernhausener Rathaus am zweiten Wandertag.
In der zweiten Wanderwoche haben die Ereignisse in Kabul viel Raum in den Gesprächen eingekommen. Oft hörte ich: „Wir schämen uns. Wir wollen helfen.“ Auch mich hat die Situation betroffen gemacht. Ich habe meinen Mitwander*innen von meiner Reise 2006 nach Afghanistan berichtet und von der Hoffnung, die damals zu spüren war. Es ist wirklich unanständig, dass die Bundesregierung unsere Partner*innen so im Stich gelassen hat. Wir müssen besser und verlässlicher darin werden, diejenigen zu unterstützen, die weltweit für Demokratie und Menschenrechte eintreten.

Das gilt ebenso bei uns. In Eltville habe ich die wunderbare Philip-Kraft-Stiftung besucht, die mit vielen tollen Projekten Integration und Antirassismus-Arbeit regional fördert. Leider müssen sich solche Initiativen oft von Projektantrag zu Projektantrag hangeln, obwohl ihre Arbeit dauerhaft gebraucht wird. Mit einem Demokratiefördergesetz will ich solchen Initiativen den Rücken stärken. Wichtig ist zudem die Erinnerungsarbeit an die Verbrechen der Nationalsozialisten. Deshalb habe ich auf meiner Wanderung auch die Gedenkstätte in Hadamar besucht, die mit einem neuen Konzept die Erinnerungen an die Tötungsanstalt wach halten will. Das ist besonders wichtig, um junge Menschen für unsere Geschichte zu sensibilisieren.

Um Kinder und Jugendliche ging es auch bei meinem Besuch in zwei Bildungseinrichtungen. In der „Schiffchen“-Bibliothek in Walluf, berichtete die Kulturbeauftragte des Kreises Stemmler-Heß von tollen Initiativen zur Leseförderung sowie Demokratie- und Umweltbildung. Und im Waldkindergarten in Niedernhausen erlernen Kinder spielerisch den Respekt vor unserer Umwelt. Das macht Hoffnung für die Zukunft.
#AnnasZukunftstour war ein großer Erfolg. Doch damit ist der Wahlkampf keinesfalls „gelaufen“. Im Gegenteil: Jetzt legen wir erst richtig los!