Haltung statt Spaltung: So schützen wir unsere Demokratie

Morgen wird Joe Biden als 46. US-Präsident vereidigt. Allerdings haben sich damit die Probleme noch lange nicht erledigt. Der beispiellose Angriff auf das US-Kapitol am 6. Januar zeigt, wie stark Demokratien weltweit unter Druck stehen.

Gastbeitrag in den Zeitungen der VRM am 19.1.2021

Morgen wird Joe Biden als 46. US-Präsident vereidigt. Allerdings haben sich damit die Probleme noch lange nicht erledigt. Der beispiellose Angriff auf das US-Kapitol am 6. Januar zeigt, wie stark Demokratien weltweit unter Druck stehen. Ähnliche Entwicklungen bedrohen auch unser Land: Radikalisierung der Rechten, Verbreitung von Verschwörungstheorien und Ablehnung demokratischer Spielregeln.

Im letzten US-Wahlkampf ging es nicht um den normalen politischen Wettstreit zwischen unterschiedlichen Lagern. Es ging um die Grundregeln des Wettstreits: Demokratie und faktenbasierte Auseinandersetzung. Schon vor der Wahl hatte Donald Trump wiederholt zu Gewalt aufgerufen, Minderheitenrechte missachtet und Gegner dämonisiert. Noch in der Wahlnacht erklärte er sich – entgegen allen Fakten – zum Sieger und rief seine Anhänger zum Widerstand auf.

Damit verstößt er gegen die fundamentalste aller demokratischen Spielegeln: „Demokratie ist ein System in dem Parteien Wahlen verlieren,“ so schrieb es der berühmte Politikwissenschaftler Adam Przeworski einst. In Westeuropa und Nordamerika haben seit Ende des Zweiten Weltkrieges unterlegene Parteien ihre Niederlage nahezu immer anerkannt.

Jetzt glaubt ein Großteil der republikanischen Wähler Trump’s Märchen vom Wahlbetrug. Damit hinterlässt Trump eine schwere Hypothek. Denn er hat ein Paralleluniversum geschaffen, indem Lügen als Wahrheit gelten und Verschwörungstheoretiker Hass schüren.

Es ist der Kardinalfehler der moderaten Kräfte bei den Republikanern, dass sie es soweit haben kommen lassen. Alleine haben die radikalen Rechten keine Macht. Daher ist es so wichtig, dass alle demokratischen Parteien eine Zusammenarbeit mit den rechten Feinden der Demokratie – wie der AfD – unterlassen. Diese hatte jüngst rechte Störer in das Reichstagsgebäude eingeschleust.

Außerdem müssen die Sicherheitsorgane unsere Demokratien besser gegen Rechtsaußen verteidigen – auf der Straße und online. Der Sturm auf das US-Kapitol war nicht überraschend, sondern lange in sozialen Medien angekündigt. Umso schockierender ist es, dass die Sicherheitskräfte schlecht vorbereitet waren. Ein ähnliches, wenn auch nicht ganz so dramatisches, Bild bot sich im August vor dem Reichstag.

Damit Fakten und demokratische Spielregeln uneingeschränkt gelten, brauchen wir eine Demokratieoffensive – die kritische Auseinandersetzung mit denjenigen, die anfällig für Hass und Hetze sind. Dazu gehören zum Beispiel mehr und zielgenauere politische Bildung und Partizipation, die Förderung einer aktiven Zivilgesellschaft und Medienkompetenz sowie eine Strategie gegen Desinformationen online.

Hass ist keine Meinung und Lügen sind keine Standpunkte. Ihre systematische Verbreitung gefährdet unsere Demokratie. Solchem Foulspiel sollten wir keine Plattform bieten, sondern überall – im privaten und beruflichen Umfeld, in den Medien – klar für eine demokratische Streitkultur eintreten.