Interview mit Frankfurter Rundschau: „Alles andere als Ungeduld wäre tödlich“
Am 13. August veröffentlichte die Frankfurter Rundschau mit mir. Im Interview erkläre ich, was mich motiviert, wieder in den Bundestag zu wollen, und was dort meine Ziele sind.
Das Interview wurde am 13. August veröffentlicht.
Frau Lührmann, Sie haben sich schon als Kind und Jugendliche bei Greenpeace für Umweltschutz eingesetzt und in der Kasseler Innenstadt Flugblätter gegen die Luftverschmutzung verteilt. Wie sehr erinnert Sie das Engagement von „Fridays for Future“ an Ihr eigenes?
Sehr. Als die ersten größeren Demos begannen, lebte ich mit meiner Familie in Schweden. Ich bin mit meiner Tochter, die damals elf Jahre alt war, auf ihren Wunsch auf eine „Fridays for Future“-Demo in Göteborg gegangen und dachte mir: „So war ich doch eigentlich! Und was mache ich eigentlich gerade gegen die Klimakrise?“ Das war vor zwei Jahren und hat einen Prozess bei mir ausgelöst, durch den ich schließlich entschieden habe: Ich will zurück in die Politik und das, was ich gelernt habe, meine Kraft und meinen Elan einsetzen dafür, dass wir der Klimakrise entgegentreten.
Sie waren schon Abgeordnete im Bundestag, als die Grünen mitregiert und den Umweltminister gestellt haben. Heute werfen „Fridays for Future“ auch dieser Generation vor, nicht genügend getan zu haben. Haben Sie genug getan für den Klimaschutz?
Unsere Generation hat mit Sicherheit nicht genug getan, weil es die gesellschaftlichen Mehrheiten dafür nicht gab. Wir waren als Sieben-bis-neun-Prozent-Partei im Bundestag und haben einiges versucht. Wir haben zum Beispiel den Ausbau der erneuerbaren Energien auf den Weg gebracht, der in Deutschland viel früher und viel schneller vorangegangen ist als in anderen Ländern. Aber insgesamt war das natürlich nicht genug. Deswegen kämpfen wir dafür, dass wir Mehrheiten bekommen, um konsequenten Klimaschutz umzusetzen.
Aus Sicht von „Fridays for Future“ reichen die Pläne der Grünen nicht, um die 1,5-Grad-Grenze einzuhalten, also die durchschnittliche Erderwärmung auf weniger als 1,5 Grad zu begrenzen. Sind die Grünen nicht konsequent genug, um die Klimaziele zu erreichen?
Die Grünen haben das eindeutig ambitionierteste Klimaschutzprogramm. Für uns ist das eine Klimawahl. Viele von den konkreten Forderungen von „Fridays for Future“ finden sich in unserem Wahlprogramm, etwa das Vorziehen des Kohleausstiegs und ein deutlich schnellerer Ausbau der erneuerbaren Energien auf 100 Prozent bis 2035. Wenn wir das so umsetzen, haben wir eine Chance, auf den 1,5-Grad-Pfad zu kommen.
„Fridays for Future“ ist eine ungeduldige Bewegung. Wie viel Ungeduld und wie viel Geduld braucht es, um politisch erfolgreich zu sein?
Ich kann die Ungeduld sehr gut nachvollziehen. Ich bin selbst ungeduldig. Es ist absolut nicht einzusehen, dass wir seit Jahrzehnten über den Klimawandel Bescheid wissen und dennoch nicht genug getan haben. Alles andere als Ungeduld wäre tödlich. Wir müssen in den nächsten vier Jahren deutlich vorankommen. Als ich zuletzt im Bundestag war, vor mehr als zehn Jahren, habe ich einen Klimaschutzhaushalt vorgelegt. Wir wollten damit aufhören, Geld für klimaschädliches Verhalten auszugeben. Wir wollten die Kerosinsubvention abschaffen, die Kohlesubvention und das Dienstwagenprivileg. Diese Subventionen wollten wir abschmelzen, um das Geld auszugeben für Wärmewende, erneuerbare Energien und so weiter. Wenn das damals beschlossen worden wäre, hätten wir jedes Jahr etwa 34 Millionen Tonnen CO2 eingespart. Dafür fehlte allerdings die Mehrheit. Die Vorschläge liegen auf dem Tisch und zwar schon seit Jahrzehnten.
Diese Subventionen gibt es immer noch. Könnten Sie das gleiche Programm wieder vorlegen?
Ziemlich genau so. Und das ist wirklich bitter. Das allermeiste davon kann man sofort wieder einbringen. Das werde ich auch machen.
Sie haben über Demokratieförderung promoviert. Was bedeutet es für die Demokratie, wenn sich Kinder und Jugendliche lautstark zu Wort melden wie jetzt bei „Fridays für Future“?
Die Lethargie beim Klimaschutz zeigt, dass die Gegenwartsbezogenheit der Politik ein Problem ist. Deswegen habe ich mich schon damals im Bundestag eingesetzt dafür, Generationengerechtigkeit im Grundgesetz festzuschreiben. Das Bundesverfassungsgericht hat jetzt noch einmal klar gesagt, dass die Freiheitsrechte der jungen Generation stärker in der Politik berücksichtigt werden müssen. Dahin müssen wir endlich kommen. Wir müssen zeigen, dass wir mit demokratischen Verfahren die großen Krisen unserer Zeit lösen können, und das können wir. Wir haben den gesellschaftlichen Rückenwind. Ich treffe Leute, die sagen: „Wir wollen eine Solaranlage auf unser Dach setzen, aber die ganze Bürokratie schreckt uns ab.“ Die Leute kriegen es sehr schwer gemacht.
Dabei hat Hessen eine grüne Umweltministerin und einen grünen Energieminister. Müssten sie nicht diese Hürden abbauen?
Da ist schon viel passiert. In der Solarenergie steht Hessen besser da als andere Länder. Auch im Verkehrsbereich ist viel passiert. Mittlerweile komme ich mit dem Bus von Hofheim nach Wiesbaden oder von Limburg nach Wiesbaden. Das war vor zwölf Jahren noch anders, als ich aus Deutschland weggezogen bin.
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